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Briefumschlag

Ich müsste es trotzdem tun!

25. März 2019

Zur Sonderberichterstattung von der Generalkonferenz (KuW 3/2019)

Die Digitalisierung machte es möglich, man befand sich mitten drin. Mitten in der Generalkonferenz in Amerika. Es wurde viel gebetet. Dieses Vorgehen erfüllte mich mit Zuversicht. «Es gibt für jedes Problem eine schnelle Lösung und die ist meistens falsch.» Nachdem das komplexe Thema über Jahre von verschiedenen Expertenteams diskutiert wurde, glaubte ich, wie viele andere Frauen und Männer unserer Kirche an eine menschenwürdige Lösung. Um 15.26 Uhr Ortszeit kam der Tiefschlag. Die Abstimmung brachte mich brutal auf den Boden der Realität zurück. Zuerst war ich über alle Massen enttäuscht. Doch irgendwo lebte noch ein Funke Hoffnung in mir. Vielleicht wird der Entscheid doch noch zum Guten relativiert. Leider hoffte ich vergebens. Es würde zu weit führen, hier alle Bestimmungen aufzuzählen, welche mich mit Sorge erfüllen. Zwei Anordnungen bereiten mir ganz spezielle Probleme. Zitat: «Die Ordination von Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, bleibt weiterhin verboten.» Ja, und wenn sie es schon praktizieren? Wenn sie es verheimlichen? Ich kenne als Aerztecoach solche Fälle. Und weiter: «Die Segnung solcher Paare bleibt weiterhin verboten.» Es gibt bekanntlich Pfarrer, die segnen Motorräder. Wenn es aber darum geht, für homosexuelle Paare um den Segen Gottes zu bitten, hört der Spass auf.

Als Laienprediger werde ich oft von Gemeinden zum Predigtdienst eingeladen. Ich lerne dabei immer wieder wunderbare Menschen kennen und freue mich an jedem Kontakt. Nehmen wir einmal an – und nach diesem Artikel könnte es auch sehr schnell geschehen – ich würde in einer EMK Gemeinde von einem homosexuellen Paar mit der Bitte angesprochen, ihre Gemeinschaft nach dem Gottesdienst zu segnen. Ich muss mich nun entscheiden. Da stehen zwei Menschen vor mir, welche ehrlich nach Gott fragen. Sie sehen sich mit Vorurteilen, Diskriminierungen und falschen Anschuldigungen konfrontiert welche ich nur erahnen kann. Es braucht einen enormen Willen und einen tiefen Glauben sich trotzdem oder gerade deshalb zum Christentum zu bekennen. Zwei Glaubensbrüder oder Glaubensschwestern suchen hoffnungsvoll nach Gott und möchten gemeinsam den Weg zu ihm finden. Wo nehme ich mir das Recht her über sie zu urteilen? Wenn sich der Glaube auf die Sexualität reduziert, ist die Gnade gestorben. Ich könnte nicht anders und würde den beiden die Hände auflegen und für ihre Gemeinschaft und den weiteren Lebensweg, Gott um seinen reichen Segen bitten. Das müsste ich tun. Gegen allen Widerstand und gegen jede von Menschen gemachte Vorschrift.

Hansruedi Stahel, Turbenthal