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Ist die Klimakrise eine Chance für die Kirchen?

4. September 2019

Die «fridays for future» mobilisieren seit längerem junge Menschen in der Schweiz und weltweit. Mit ihren Demonstrationen fordern die jungen Leute, dass Politik und Gesellschaft griffige Reformen zum Schutz des Klimawandels durchführen. Jetzt. Die «Bewahrung der Schöpfung» steht seit langem auf der Agenda der Kirchen. Erhält da also ein zentrales Anliegen des christlichen Glaubens Rückenwind durch eine gesellschaftliche Bewegung? Oder hat beides nichts miteinander zu tun. «Doch!», findet die Methodistenpfarrerin Sarah Bach. Sie sieht in der Klimakrise auch eine Chance für die Kirche.

Die meisten kennen die Zahlen: Die internationale Staatengemeinschaft hat noch zwölf Jahre Zeit, um drastische Änderungen in unserer Klimapolitik umzusetzen, bevor es unmöglich wird, die vereinbarten Klimaziele von Pariser Klimakonferenz 20161 einzuhalten. Eine Erderwärmung von über 2°C führt aber zu weiteren und schlimmeren Dürreperioden, Hungersnöten, Überschwemmungen, Wasserknappheit und einem Ansteigen des Meeresspiegels. Eine solche Erwärmung wäre unumkehrbar. Es ist schwierig, bei diesen Zahlen und Szenarien nicht zu verzweifeln und nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Es ist herausfordernd, angesichts dieser Zahlen hoffnungsvoll zu bleiben. Da es hierbei aber nicht nur um die Erhaltung der Erde, wie wir sie kennen, sondern auch um die Rettung von Menschenleben geht, können wir als Christ/innen nicht schweigen und müssen zu einem aktiven Teil der Klimaschutz-Bewegung werden.

Wie wir der Verzweiflung widerstehen können

Ich glaube, dass wir in der Bibel und in der methodistischen Theologie verschiedene Ansatzmöglichkeiten finden, wie wir neu über die Klimakrise nachdenken können, wie wir handeln und dieser Verzweiflung, die uns inaktiv werden lässt, widerstehen können. Ich durfte mich im Rahmen meiner Masterarbeit über das letzte Jahr tiefer mit genau dieser Thematik beschäftigen und gewann neue Einsichten darüber, was es bedeutet, heute mit Gott auf diesem Planeten unterwegs zu sein. Die Klimakrise kann uns helfen, genauer zu verstehen, welchen Plan Gott mit uns hat und wozu wir von Gott in dieser Welt berufen sind.

Wir haben den Planeten vollständig unter Kontrolle gebracht und manipulieren ihn so, wie wir es gerne hätten.

Wenn wir uns dazu die Schöpfungsgeschichte anschauen: Wir erkennen, wie Gott die Welt erschuf. Der Mensch wird gegen Ende hin erschaffen und in 1. Mose 1, 26-27 lesen wir, dass der Mensch nach dem «Bild Gottes» geschaffen wurde. Gleich darauf folgen Anweisungen, wie der Mensch sich nun innerhalb dieser Schöpfung zu verhalten hat. Wir lesen, dass die Menschen herrschen sollen über die anderen Tiere und sich die Erde untertan machen. Diese Verse können schnell zu der Ansicht führen, dass wir als Menschheit doch anscheinend alles richtig machen: Wir haben den Planeten vollständig unter Kontrolle gebracht und manipulieren ihn so, wie wir es gerne hätten. So hätten wir allerdings den Auftrag von Gott missverstanden.

Was das Leben nachhaltig verändern kann

John Wesley, der Gründer der methodistischen Bewegung, hatte eine klare Vorstellung davon, was es für uns Menschen bedeutet, nach dem «Bild Gottes» geschaffen worden zu sein. Er vertrat die Ansicht, dass wir von Gott dazu berufen werden, ihm immer ähnlicher zu werden und so «in seinem Bild» zu wachsen. Dazu müssen wir aber zuerst in diesem Bild erneuert werden. Laut Wesley geschieht diese Erneuerung, wenn Gott in Beziehung mit uns tritt. Wir erkennen dies in unserem Leben als den Moment, in dem wir anfangen zu glauben. In diesem Glauben können wir nun mehr und mehr erkennen, welche Pläne Gott für unser Leben hat und wir können daran mit-arbeiten, diese Pläne zu realisieren.

Die Art und Weise, wie wir mit dieser Erde umgehen, hat somit viel damit zu tun, wie wir Heiligung verstehen und leben.

Nur in der Beziehung zu Gott können wir unser Leben nachhaltig verändern und immer wieder neu prüfen, ob unsere eingeschlagenen Wege auch die richtigen sind. Wir tun dies nicht, um schlussendlich von Gott geliebt und angenommen zu werden (denn das sind wir schon längst!), sondern wir tun dies, um unsere Berufung in dieser Welt herauszufinden und sie zu verwirklichen. Diesen Prozess des Wachsens und Veränderns nennt John Wesley «Heiligung». Sie funktioniert nicht aus dem Menschen heraus, sondern nur, weil Gott den Menschen ermächtigt, sich zu verändern und zu wachsen. Die Heiligung zeigt sich in erster Linie in den verschiedenen Beziehungen, in die wir hineingestellt werden: in der Beziehung zu Gott, in der Beziehung zu unseren Mitmenschen und eben auch in der Beziehung zu der Schöpfung. Nur wenn wir aus und in dieser göttlichen Liebe leben, können wir verstehen, was mit dem «Herrschaftsauftrag» gemeint ist, von dem wir in 1. Mose lesen. Die Art und Weise, wie wir mit dieser Erde umgehen, hat somit viel damit zu tun, wie wir Heiligung verstehen und leben.

Wie wir unsere Macht richtig einsetzen

Wir können nicht abstreiten, dass wir als Menschen besonders viel Macht auf dieser Welt haben. Wir können in grossen Gruppen kooperieren, langfristig planen, Prognosen über die Zukunft treffen und entsprechend handeln. Wir können in Beziehung miteinander treten. In der Bibel erkennen wir aber nicht nur, dass wir diese grosse Macht haben, sondern wir erkennen auch Richtlinien, wie wir mit dieser Macht umzugehen haben. Da unsere Beziehung zu Gott von seiner Fürsorge für uns geprägt ist, soll auch unsere Beziehung zur Schöpfung von der gleichen Fürsorge geprägt sein. Wir sollen so mit der Welt umgehen, wie Gott mit der Welt umgeht: liebevoll, fürsorglich, gnädig, auf das Wohl jedes Lebewesen bedacht. So können wir dem «Bild Gottes» mehr und mehr ähnlich werden – und unsere Berufung leben.

Warum verstehen wir die Klimakrise nicht als eine Chance, uns neu klar zu machen, wie wir miteinander und mit der uns geschenkten Schöpfung Gottes umgehen wollen? Warum nehmen wir sie nicht als Chance, uns neu zu fragen, was Gott von unserem Leben will und wie wir die gleiche Liebe und Fürsorge, die Gott uns schenkt, auch in diese Welt hineinbringen können? Wenn die Klimakrise als eine Chance angesehen wird, unsere menschliche Gemeinschaft mit Gott und dem Rest der Schöpfung zu stärken, kann Hoffnung auch in den kleinen und unscheinbaren Dingen gefunden werden. Keine Hoffnung, die auf naivem Optimismus beruht, sondern eine aktive Hoffnung, die uns auf einem nachhaltigen und heiligenden Weg weiterträgt. Eine Hoffnung, die aus der Quelle des Lebens, dem Geist Gottes, fliesst.

Sarah Bach
Beitragsbild: Hans Braxmeier, Pixabay.com

Zur Person

Pfarrerin Sarah Bach (Bild: zVg)

Sarah Bach hat an der Theologischen Hochschule Reutlingen studiert. In ihrer Masterarbeit fragte sie, welche Bedeutung John Wesleys Verständnis von Heiligung angesichts der aktuellen Klimaveränderung hat und wie sein Verständnis neue Impulse für Glauben und Handeln der Kirche geben kann. Sie ist als Pfarrerin bei den Methodist/innen in Schwarzenburg und Solothurn tätig.

 

Der Beitrag erschien ursprünglich in der Septemberausgabe von Kirche und Welt, der Zeitschrift der Methodisten in der Schweiz.

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