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«Glaubensschritte» – in der Beurteilung «praktizierter Homosexualität»

27. August 2019

Angesichts der kontroversen Diskussionen innerhalb der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche fordert der methodistische Bischof Richard Wilke in einem Video auf, nach Wegen zu suchen, die «Heilung statt Trennung» ermöglichen. Wilke ist vielen Methodist/innen in der Schweiz vor allem bekannt als Verfasser des Kurses «Glaubensschritte».

Zusammen mit seiner Frau Julia hatte Bischof Wilke vor 35 Jahren die Unterlagen für einen Kurs geschrieben, bei dem aus der Beschäftigung mit biblischen Texten Handlungsschritte und Impulse für die Glaubenspraxis abgeleitet werden. In der Schweiz wurde der entsprechende Kurs unter dem Titel «Glaubensschritte» bekannt und in vielen methodistischen Kirchgemeinden durchgeführt. Grösste Freude habe ihm bereitet zu hören, wie das Leben von Menschen aufgrund dieses Kurses verändert wurde. Kursteilnehmer/innen hätten eine Berufung zum kirchlichen Dienst erfahren, Ehen seien erneuert, Gemeinschaften gestärkt und Konflikte überwunden worden, sagt Wilke im Video, und fährt fort: «Das ist der Grund, weshalb mir die aktuelle Spaltung in unserer United Methodist Church über die Fragen der Homosexualität mein Herz bricht.»

Die Tochter outet sich als lesbisch

Im Video erzählt Bischof Wilke, wie eine seiner Töchter seiner Frau und ihm vor 30 Jahren in einem Gespräch sagte, dass sie lesbisch sei und eine feste Beziehung mit einer anderen Frau eingegangen sei. Obgleich er sich nie intensiv mit den entsprechenden Bibelstellen befasst habe, schien es ihm immer klar, dass die Bibel in dieser Hinsicht eindeutig sei darin, dass sie Homosexualität verurteilt. «Und als Pfarrer und Gemeindeleiter stand ich zu dem, was unsere Kirchenordnung sagt», erzählt Wilke. «Nun aber stand ich als Elternteil vor dieser Thematik.»

Grundlinien zum Verständnis der Bibel

Bischof Wilke gibt im Video Einblick in den Prozess, den dieses Coming-Out seiner Tochter bei ihnen als Eltern ausgelöst hat. «Ehrlich gesagt, war ich erstaunt über meine lebenslange Unwissenheit über Homosexualität», sagt er. Wilke führte Gespräche mit anderen methodistischen Familien, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. «Ich hörte mir ihre Geschichten darüber an, wie sie in der Kirche zu kämpfen hatten.»

Und Wilke begann sich mit den einschlägigen Bibelstellen auseinanderzusetzen. Ein grösserer Teil des Videos gibt Einblicke in diese Auseinandersetzung, wobei Wilke von vornherein zu erkennen gibt, dass diese Einsichten aus seiner persönlichen Erfahrung erwachsen: «Ich musste mein Eintreten für die Autorität der Schrift in Einklang bringen damit, dass ich meine Tochter liebte und akzeptierte.» Im Video kommen einige grundsätzliche Fragen zum Bibelverständnis zur Sprache. So bezeichnet Wilke etwa die Bibelabschnitte, in denen homosexuelle Handlungen beurteilt werden,  als «unbedeutend» – und erläutert, wie er dazu kommt, eine solche Aussage zu treffen: Nicht alle biblischen Passagen seien von gleicher Wichtigkeit, was er unter anderem an den Büchern Obadja und Maleachi illustriert, die «nicht zu vergleichen sind mit der Bedeutung und Kraft der Bücher Genesis und Exodus». Bibelstellen müssten überdies jeweils in ihrem Kontext betrachtet werden und seien nur so angemessen zu verstehen. Und Wilke fordert auf: «Denken Sie auch daran, dass Jesus das fleischgewordene Wort ist. Er ist Herr – selbst der Bibel!»

An Jesus Mass nehmen

Wilke geht auf einige Bibelstellen kurz näher ein und fragt dann nach dem Dienst Jesu und was daraus zu lernen sei. «Immer wieder konzentrierte er sich bewusst auf die an den Rand Gedrängten», beschreibt Wilke das Wirken Jesu. Wieder und wieder habe er Güte und Annahme höher gestellt als traditionelle und soziale Normen. «Wenn wir Christus nachfolgen wollen, wie könnten wir da im Lichte des Dienstes Jesu Menschen der LGBT-Gemeinschaft ablehnen?», fragt er darum.

«In den 70 Jahren meines Dienstes gibt es nichts, das mich dazu bringen könnte zu glauben, dass die United Methodist Church sich wegen dieser paar missvertandenen Abschnitte der Schrift trennen könnte oder sollte», sagt Wilke im Rückblick auf seinen eigenen Lernprozess. «Ich bitte Sie, dass Sie für die Kirche beten. Erheben Sie Ihre Stimme, indem Sie unsere lange Tradition bekräftigen und helfen einen Weg in eine Zukunft zu finden, die Heilung statt Trennung bringt.»

S.F. / UMNS
Beitragsbild: Screenshot, Youtube

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Bischof Richard Wilke

war von 1986 bis zu seiner Pensionierung 1994 Bischof der Arkansas Area der United Methodist Church in den USA. Er und seine verstorbene Frau Julia Kitchens Wilke schufen gemeinsam eine Studienreihe, die in der Schweiz unter dem Titel «Glaubensschritte» Verbreitung fand. Sie gründeten ausserdem das Institute for Discipleship.

 

Bibel, Kirche – Homosexualität?

Wie «eindeutig» sind die Aussagen der Bibel zur Homosexualität? Können Christ/innen die Bibelstellen unterschiedlich verstehen – und dennoch miteinander in einer Kirche verbunden sein? – Eine Veranstaltung der Methodist/innen in der Schweiz am 30. November in Bern bietet eine Plattform, um sich zu informieren, miteinander zu diskutieren und das zu entdecken, was miteinander verbindet. Weitere Infos finden sich im Flyer zur Veranstaltung. Hier geht’s zur Anmeldung. (Die Platzzahl ist beschränkt. Vorrang haben Mitglieder und Freunde der Evangelisch-methodistischen Kirche).