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Briefumschlag

Bibel oder Zeitgeist?

18. März 2019

Zu: «Gesellschaftlicher Trend — aber nicht biblisch» (KuW 3/2019)

Zeitgeist gegen Aussagen der Bibel: Das ist eine klassische Gegenüberstellung. Sie hat die Kirchen immer wieder beschäftigt und manchmal zu Zerreissproben geführt. Es war der Zeitgeist der Renaissance, der das neue Weltbild von der Sonne als Zentrum aufbrachte. Die Erde ist keine Scheibe, wie es früher aus der Bibel gelesen wurde. Es war der Zeitgeist des Humanismus, der zur Reformation führte. Es braucht keine von den Nachfolgern des Petrus geleiteten Priester mehr um den Menschen mit Gott zu verbinden – wie es aus der Bibel herausgelesen wurde (Matthäus 16,18.19; Johannes 21,15-17). Es war der Zeitgeist der Aufklärung, der John Wesley nach den «matter of facts of believing», den «Gewissheit vermittelnden Fakten für den Glauben», fragen liess. Es entstand die methodistische Bewegung. Es war der Zeitgeist der Gleichstellung der Geschlechter, der die Kirchen beschliessen liess, Frauen zum Predigtamt zu ordinieren – entgegen der Art wie man glaubte, Paulus verstehen zu müssen (1.Korinther 14,34). Und es ist der Zeitgeist des Individualismus, der erkennen lässt, dass Menschen sexuell völlig unterschiedlich empfinden können. Wieder werden biblische Aussagen gegen «die Homosexualität» ins Feld geführt und drohen, die Kirche zu zerreissen. Es ist in der Vergangenheit immer wieder gelungen, Zeitgeist und Bibel nicht als Gegensätze zu verstehen, sondern sich gegenseitig befruchten zu lassen. Wie lange wird es diesmal dauern, bis es so weit ist?

Theo Schaad, Köniz